Statement zur dpa-Anfrage Letzte Generation

Fri, Dec 2, 2022 sonstiges

Statement des Eine-Welt-Landesnetzwerk M-V zur Anfrage von dpa zum Thema Aktionen der "Letzten Generation"

Als Eine-Welt-Landesnetzwerk haben wir besonders die globale Perspektive der Klimakrise und das Thema Klimagerechtigkeit im Blick. Wir machen Stimmen aus dem globalen Süden hörbar. Menschen aus dem Globalen Süden leiden seit Jahrzehnten unter der Klimakrise, das berichten uns Partner:innen aus Kenia, Nicaragua und vielen anderen Ländern immer wieder. Die jüngste Flut in Pakistan und die Hitzewelle in Indien sind zwei Beispiele aus dem aktuellen Jahr. Dabei haben die Menschen im globalen Süden wesentlich weniger zu den Ursachen des menschengemachten Klimawandels beigetragen, weil sie bis heute sehr viel weniger CO2 pro Kopf ausstoßen als Menschen im globalen Norden.

Die Klimakrise muss in Deutschland endlich wie eine Krise behandelt werden. Sie verlangt ein schnelles, radikales und unbequemes Handeln der Politik. Momentan tut die Politik in Deutschland allerdings so, als wäre ein „weiter so“ möglich. Das ist fahrlässig, denn die Wissenschaft ist sich längst einig und die Erkenntnisse über den menschengemachten Klimawandel liegen vor.

Wer die Auswirkungen der Klimakrise wirklich an sich ran lässt, der kommt zu dem Schluss, dass jetzt und unverzüglich gehandelt werden muss. Die Politik muss nach dem Motto „follow the sience“ den wissenschaftlichen Fakten folgen und den Rahmen für Wirtschaft, Gesellschaft und jede:n einzelnen von uns neu setzen, so dass wir die Emissionen möglichst schnell und möglichst effizient drosseln. Das bedeutet große Veränderungen für uns alle und da kommen unliebsame Entscheidungen auf uns zu, die derzeit niemand trifft und die viel zu wenig offen ausgesprochen werden.

Aktuell sind wir als Weltgemeinschaft faktisch weit davon entfernt, die 1,5 Grad Erderwärmung noch einzuhalten. Herunter gebrochen auf Mecklenburg-Vorpommern hieße das: Um das 1,5 Grad Ziel noch zu erreichen, stünden dem Land Mecklenburg-Vorpommern ab dem Jahr 2022 nur noch 47 Mio. t CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibenden Emissionen von rund 10 Mio. t CO2 pro Jahr würde das nur noch bis Mitte 2026 reichen.

Derzeit steuern wir auf eine Erderwärmung von etwa 2,5 Grad zu. Das bedeutet ein großer Teil der 15 Kippunkte, die der Weltklimarat IPCC identifiziert hat, werden eintreten und unwiederbringliche Veränderungen mit sich bringen. Das wird auch große Migrationsbewegungen mit sich bringen, einfach, weil noch mehr Erdoberfläche unbewohnbar werden wird. Derzeit gehen Wissenschaftler:innen davon aus, dass dabei 280 Millionen Menschen weltweit ihre Heimat verlieren werden. Auch das ist eine Wahrheit, die derzeit kaum offen kommuniziert wird, obwohl sie offensichtlich ist.

Die Fridays For Future Bewegung hat seit 2019 sehr friedlich und beharrlich mit weltweiten Demos und vielen Menschen, die auf die Straße gingen, auf die Klimakrise aufmerksam gemacht. Geändert hat sich bislang leider nichts. Das Zeitfenster innerhalb dessen wir eine Trendwende herbeiführen müssten, schließt sich. Uns läuft die Zeit davon!

Dies hat im März 2021 auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen und die Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz in Teilen bestätigt: Die bisherigen Regelungen zum Klimaschutz der Bundesregierung sind nicht ausreichend und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie beschränken zukünftige Generationen in ihren Freiheitsrechten, da der große Teil der notwendigen Reduktion der Emissionen auf die Zeit nach 2030 verschoben wird. Die Frist für neues Gesetz läuft Ende 2022 aus. Auch hier: Bisher ist nichts passiert.

Die Aktionen der letzten Generation stören und provozieren, aber sie lehnen Gewalt gegen Mensch und Tier ab und sehen sich in der Tradition des zivilen Ungehorsams, der eine lange Geschichte hat. Man denke an M.Gandhi und M.Luther King. Es ist nicht unsere Protestform, aber wir haben Verständnis für die Aktivist:innen. Menschen, die wie wir seit Jahren für Klimaschutz eintreten, wurden in ihren bisherigen Protestformen nicht gehört. Wir waren schon 2009 beim Klimagipfel in Kopenhagen mit dabei. Es ist eine Schande, wie wenig seither passiert ist. Insofern können wir die Ohnmacht, die Sorgen und den Frust total nachvollziehen und verstehen. Denn es scheint, als würde bei vielen Politiker:innen das tiefe Verständnis dafür zu fehlen, wie sehr die Klimakrise unsere natürliche Umwelt und damit unsere Lebensgrundlage auf der Erde zerstört.

Die Politiker:innen, die jetzt Strafen oder sogar Präventivhaft für die Aktivist:innen der letzten Generation fordern, sollten sich stattdessen das Ausmaß der Klimakrise vor Augen führen und in Relation zu den Aktionen setzen. Abgesehen davon obliegt es der Justiz die Strafbarkeit der Aktionen zu prüfen, was ja auch bereits geschieht. Soweit wir informiert sind entziehen sich die Aktivist:innen weder der Justiz noch den Konsequenzen, sprich Strafen.

Quellen:

https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimaforschung-klimabewegung-die-letzte-generation-erderwaermung-kipppunkte-markus-lanz-1.5697670?reduced=true

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-11/klimaaktivismus-gericht-gregor-gysi-letzte-generation?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F

https://www.lee-mv.de/wp-content/uploads/2021/07/B32_2021-05-CO2-Budget-MV_final.pdf